Neuerscheinungen und Longseller auf dem Buchmarkt. Lest mal wieder!

Unsere Literatur-Tipps:
 
Knecht zweier Herren
Zur Abschaffung der Leiharbeit
Wer Argumente gegen Leiharbeit sucht und einen Blick auf die Protestgeschichte der modernen Sklaverei werfen will, bekommt mit diesem Buch das, was er sucht.

Andreas Förster, Holger Marcks (Hg.): Knecht zweier Herren. Zur Abschaffung der Leiharbeit. unrast-Verlag, Münster, 2011, ISBN: 978-3-89771-112-9
   
Gesellschaft und Politik in der amerikanischen Besatzungszone.
Die Region Ansbach und Fürth.
1927 wurde Adolf Hitler im Ansbacher Onoldiasaal, wo er eine Rede hielt, mit " unbeschreiblichen Jubel" empfangen. Getoppt wurde diese Begeisterung als am 23. Januar 1938 "Frankenführer" Julius Streicher über 5000 Menschen in die Ansbacher Rezathalle zog. Selten, schrieb die "Fränkische Zeitung" am 24. Januar 1938, wurden die deutschen Lieder mit solcher innerlichen Ergriffenheit gesungen, wie am Abschluß dieser Feier. Sieben Jahre später, nachdem am 18. April 1945 die Panzer des Combat Command R und des Combat Command A der 12. US-Panzer-Division ("Hellcats") von Generalmajor Roderick R. Allen in Ansbach eingerollt waren, wollte niemand mehr damals gejubelt haben. Ein Witz beschrieb damals die "Entnazifierung" in Ansbach: "Hitlers 1000jähriges Reich kann rein rechnerisch so aufgeteilt werden: zwölf Jahre Hitler und 988 Jahre Entnazifizierung."

Autor Hans Woller spannt bei seinen Recherchen einen historischen Zeitbogen von 1927 bis in die späten 40er Jahre der Nachkriegszeit. Eine Zeit, die nicht nur das "peinliche Erbe" einer misslungenen Entnazifizierung in Ansbach beschreibt, sondern auch einen Blick auf die Besatzungs-Politik der damaligen Washingtoner U.S.-Administration gestattet.

Von aktuellem Interesse — mit Blick auf die Ansbacher Geschichtstage 2012 (Thema: "Militärstadt Ansbach") — sind seine HInweise auf Quellen, die auch Antworten auf Fragen von heute versprechen. Dazu gehören u.a. die regelmäßigen Stimmungsberichte der Ansbacher Oberbürgermeister an die übergeordneten U.S.-Dienststellen, die Wochenberichte der U.S.-amerikanischen Intelligence Division sowie die "Monthly Reports of the Military Governor" an das damalige Office of Military Government for Germany.

Hans Woller:
Gesellschaft und Politik in der amerikanischen Besatzungszone. Die Region Ansbach und Fürth.
herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte
R. Oldenbourg Verlag, München, 1986

   
Ernstfall Angriffskrieg
Frieden schaffen mit aller Gewalt?
Seit Herbst 2009 ist dieses Buch auf dem Markt, das - von einem Oberstleutnant der Bundeswehr in eigenem Auftrag kenntnisreich geschrieben - genau beschreibt und dokumentiert, was in der deutschen Militärpolitik, den Sicherheitsdiskussionen und der medialen Berichterstattung derzeit schief läuft. Der Autor, Jürgen Rose, ist Mitglied im Arbeitskreis "Darmstädter Signal" (DS), einem Zusammenschluss kritischer Offiziere, der "die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts" respektiert. Als "Staatsbürger in Uniform" verstehen sich die DS-Mitglieder (allesamt aktive und ehemalige Soldaten bzw. zivile Mitarbeiter der Bundeswehr) als Verteidiger der demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes und international verbindlicher Rechtsnormen.
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Das Buch dokumentiert ein erschreckend unzureichendes Maß an Souveränität deutscher Bundesregierungen gegenüber militärischen Interessen der USA, die im Detail nicht mit den Interessen Deutschlands, Europas und der NATO deckungsgleich sind. Belegt wird, wie die Bundesrepublik Angriffskriege der USA mit vorbereiten und durchführen half und wie dazu die Bundeswehr - unter Verletzung des deutschen Grundgesetzes - mißbraucht wurde und wird.
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Mit dieser Kritik stehen der Buchautor und die Mitglieder des "Darmstädter Signals längst nicht mehr allein. Sie sind Teil einer demokratischen Bewegung in den Streitkräften Europas und des Staates Israel, die eine sicherheitspolitische Neubewertung strategischer Partnerschaften und eine Diskussion um die künftige Militärstrategie und Bündnissolidarität anmahnen. Dabei geht es u.a. auch um eine Debatte über die von Bundeskanzlerin Merkel geforderte Sicherung einer "Teilhabe" an nuklearen Waffen und die Perspektive von Atomsprengköpfen in Deutschland, Europa und in Israel.
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Jürgen Rose: Ernstfall Angriffskrieg. Frieden schaffen mit aller Gewalt? Verlag Ossietzky 2009, ISBN 978-3-9808137-2-3
   
Warum tötest du, Zaid?
Jürgen Todenhöfers Bericht über eine seiner Reisen in den Irak
Das 2008 erschienene Buch geht im besetzten Irak den Fragen nach, worin die fundamentalen Unterschiede zwischen "Widerstandskämpfern" und "Terroristen" bestehen, warum die Grenzen zwischen ihnen manchmal fließend sind und warum die Iraker u.a. die U.S.-Amerikaner als Besatzer und nicht als Befreier empfinden. Seine Recherchen, die in zehn Thesen zum Buch münden, basieren u.a. auf seiner Reise 2007 in den Irak, wo er sich - unter den militärischen Augen der USA - mit irakischen Widerstandsgruppen zu informellen Gesprächen (inoffiziellen Verhandlungen?) traf. Zufall oder nicht: 2008 gelang es den U.S.-Militärs im Irak zeitweise rund 100 000 sunnitische Milizen im Kampf gegen schiitische "Aufständische" zu mobilisieren.

Dass der ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU diese "Recherche-Reise" in den Irak unternehmen konnte, ohne um sein Leben fürchten zu müssen, liegt auch in der Biografie und in persönlichen Beziehungen begründet, die bis in die 80er Jahre nach Afghanistan zurückreichen. Damals unternahm der spätere Manager des Medienunternehmens Burda u.a. als CDU-Politiker und rüstungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits Reisen nach Afghanistan. Dort traf er sich u.a. mit dem Mudschaheddin-Führer Maulawi Khales, um über ihn die deutsche Unterstützung für die islamischen Mudschaheddin (damals "Widerstandskämpfer, heute "Taliban"), die damals gegen die sowjetischen Truppen kämpften, zu koordinieren. Noch heute genießt er unter den früheren afghanischen Verbündeten am Hindukusch, deren Söhne und Enkel heute u.a. im Irak kämpfen, einen ausgezeichneten Ruf, was ihm das nahezu gefahrlose Reisen durch "Feindgebiete" im Irak und Afghanistan erlaubt.

Mit Spannung erwartet daher die interessierte Leserschaft Todenhöfers nächstes Buch, das zumindest die offiziellen Erkenntnisse aus seiner Reise 2009 in das afghanische Hinterland publik machen könnte, wo er u.a. den dritthöchsten Führer der Taliban, Mullah Nasrat, traf. Denn Todenhöfer ist nicht nur ein profunder Kenner dieser Krisenregion und Vermittler, sondern zugleich eine tragische Figur, was seine aktuellen Meinungsäußerungen offenbaren. Letztlich sorgte er mit seiner Koordination deutscher Hilfslieferungen, die einst von ihm am Khyber Pass übergeben wurden, nicht nur für die Zurückdrängung des sowjetischen Einflusses in Afghanistan. Er verhalf damit auch - vielleicht ungewollt - den "Taliban" genannten islamischen Studenten 1996 zum Sieg über die Regierung des Übergangspräsidenten Burhanuddin Rabbani und zur Errichtung eines fundamentalistischen islamischen Gottesstaates. Politische Kritik kam damals lediglich vom deutschen UN-Sonderbotschafter für Afghanistan, Norbert Holl, der die brutale Hinrichtung des paschtunischen Präsidenten Nadschibullah (nach dessen Abkehr vom kommunistischen Kurs) durch die Taliban unter den Augen der U.S.-Amerikaner scharf verurteilte. Die "Entführung" Nadschibullahs aus einem von U.S.-amerikanischen Soldaten bewachten UN-Gebäude sei eine schwere Verletzung der Immunität der UN-Mission, hieß es in einer am 27. September 1996 in Genf veröffentlichten Erklärung des deutschen Diplomaten.
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Jürgen Todenhöfer: Warum tötest du, Zaid? C. Bertelsmann 2008, ISBN 978-3-570-01022-8,
   
Armut in einem reichen Land
Wie das Problem verharmlost und verdrängt wird
Wo Armut ist, ist auch Reichtum. Doch Reichtum schafft u.a. mittels "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" auch Armut. Mit der Tatsache, dass der Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat umgebaut und das Soziale dem Ökonomischen untergeordnet wird, beschäftigt sich Professor Christoph Butterwegge von der Universität Köln in seinem neu erschienen Buch. Inwiefern ist Armut im Kapitalismus funktional? Auf diese und viele andere Fragen gibt der Autor Antworten.

Christoph Butterwegge: Armut in einem reichen Land. Wie das Problem verharmlost und verdrängt wird. campus verlag 2009, EAN 9783593388670
   
Ungehorsam im Schuldienst
Der praktische Weg zu einer Schule für alle
Der Kampf gegen unsinnige Schulvorschriften gleicht einem Kampf gegen Windmühlen und ist doch nicht aussichtslos. Der Ansbacher Schulamtsleiter Heinz Kreiselmeyer kämpfte gegen die Mühlen der Bürokratie und blieb trotz einer Disziplinarmaßnahme ungebrochen.
Das Ende 2009 neu erschienene Buch hat solche Geschichten gesammelt, die den Wert des Ungehorsams für die Bildung zeigen. Wer reif für die Selbsterforschung bedeutender Pädagogen unserer Zeit ist, dem sei dieses Buch als Kraftquelle empfohlen.

Reinhard Stähling, Barbara Wenders: Ungehorsam im Schuldienst. Der praktische Weg zu einer Schule für alle. Mit Fotos von Donata Wenders. (Grundlagen der Schulpädagogik Band 66, Schneider Verlag, Hohengehren 2009, ISBN: 9783834005502.,
   
Krieg, Repression, Terrorismus
Politische Gewalt und Zivilisation in westlichen und muslimischen Gesellschaften
Die deutsch-, englisch- und arabischsprachige Studie des Stuttgarter Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) wurde im Rahmen des Sonderprogramms "Europäisch-islamischer Kulturdialog" des Auswärtigen Amtes erstellt und enthällt bemerkenswerte Analysen und Eingeständnisse.
So heißt es u.a. zum von Deutschland unterstützten "Krieg gegen den Terror" der USA im Mittleren Osten: "Er diente imperialen Zwecken, nämlich der Kontrolle und politischen Umgestaltung der zentralen Region der Weltenergieversorgung ... der Neuordnung des gesamten Nahen und Mittleren Ostens .. Die zahlreichen und ständig wechselnden Argumente für eine Kriegspolitik gegen den Irak dienten nur dazu, eine zuvor bestimmte Politik zu rechtfertigen.... Die Begriffe von Demokratie und Menschenrechte als Vorwand imperialer Kriege zu nehmen, führt notwendigerweise dazu ... sie zu schwächen und ihnen jede Glaubwürdigkeit zu nehmen."
Es bleibt zu hoffen, dass diese Studie, die Konsequenzen auch für die deutsche Politik aufzeigt, zu einer neuen ehrlichen deutschen Außenpolitik führt, wo wieder Wort und Tat deckungsgleich sind und Krieg als Mittel der Politik nicht nur mit Worten gegeißelt wird.


Krieg, Repression, Terrorismus - Politische Gewalt und Zivilisation in westlichen und muslimischen Gesellschaften. Eine Studie von Jochen Hippler mit Kommentaren von Nasr Hamid Abu Zaid und Amr Hamzawy; Stuttgart, 2006; Zu beziehen über Institut für Auslandsbeziehungen (ifa),
   
Waldemar Pabst – eine deutsche Karriere
Der Konterrevolutionär
Wer mit wem beim Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht paktierte, enthüllt die von Edition Nautilus herausgegebene Studie des Sozialwissenschaftlers Klaus Gietinger. Pabst, der Täter im Hintergrund, habe 50 Jahre lang geschwiegen, weil er die SPD nicht in Verlegenheit bringen wollte.
Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst - Eine deutsche Karriere. Edition Nautilus. ISBN: 978-3-89401-592-3
   
Legenden und Missverständnisse des vorigen Jahrhunderts
Es gab keinen Sex im Sozialismus
Die im Februar 2009 im Goldmann Verlag erschienene Sammlung von Kurzgeschichten des in Berlin lebenden Kult-Autors Wladimir Kaminer besticht durch liebevollem Witz, der selbst ewig gestrige Kommunisten-Hasser zum Schmunzeln oder gar um den Verstand bringen dürfte. Sehr zu empfehlen nicht nur als Bett-Lektüre!
Wladimir Kaminer: Es gab keinen Sex im Sozialismus. Legenden und Missverständnisse des vorigen Jahrhunderts. Goldmann-Verlag. ISBN: 978-3-442-54265-9
   
Horizons2020 - Zukunft vorausdenken
Ein Szenario als Denkanstoß für die Zukunft
2004, Jahre vor der aktuellen Wirtschafts- und Sinnkrise, veröffentliche TNS-Infratest eine in der Öffentlichkeit nahezu unbeachtete Studie, die mögliche Szenarien einer gesellschaftlichen Entwicklung beschreibt. In Auftrag gegeben hatte die Kommunikationsstudie, die Fehlentwicklungen nicht als gottgegeben sondern als von Menschenhand wissentlich oder unwissentlich herbeigeführte Desaster erahnen lässt, die Siemens AG.
Zwei Szenarien einer gesellschaftlichen Entwicklung - mit offenem Ausgang - werden beschrieben. Szenario 1: Gleichheit, Freiheit, Bescheidenheit. Szenario 2: Dynamik, Netzwerk, Risiko.
Da diese Studie zur Pflichtlektüre von Politikern gehören sollte - doch welcher Politiker hat sie eigentlich gelesen? - schadet es nicht, wenn auch von den Auswirkungen der Politik Betroffene diese sehr nachdenklich machenden Denkanstöße kennen.

tns-infratest: Horizons2020. Ein Szenario als Denkanstoß für die Zukunft, 1. Auflage 2004, zu beziehen über TNS-Infratest, München, Landsberger Str. 338, info@tns-infratest.com
   
Die Kriegsfurie über Franken 1945 und das Ende in den Alpen
Taschenbuch
Der Autor, Helmut Veeh aus Aub, hat in akribischer Arbeit über Jahrzehnte Informationen über Kampfhandlungen in Franken zusammengetragen und spannend dargestellt, was in unserer Gegend so los war. In manchen fränkischen Rathäusern soll das Buch zur Ansicht ausliegen.
Helmut Veeh: Die Kriegsfurie über Franken 1945 und das Ende in den Alpen. Eigenverlag Helmut Veeh, 3. Auflage 1998 ISBN: 978-3000036248
   
Uran-Geschosse
... oder wie man selbst aus strahlenden zivilen Müll noch militärisches Kapital schlagen kann
Eine kleine Broschüre enthüllt, wie die NATO als Entsorgungsunternehmen für abgereichertes Uran 238, das als Abfallprodukt bei der Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke übrig bleibt, agiert: Indem es den strahlenden Abfall im Irak und Afghanistan verschießt und Kollateralschäden (Krebstote) in Kauf nimmt. Teile der Publikation sind auf der Internetadresse: www.uranmunition dokumentiert und wurden als Dokumentarfilm am 26. April 2004 vom Westdeutschen Rundfunk gezeigt. Seither ist der Streifen "Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra" öffentlichrechtlich unter Verschluss.
Prof. Dr. Dr. med. habil Siegwart Horst Günther; Dr. med. Ralf Cüppers (Hrsg.): "Uran-Geschosse. Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Flensburg, 2000/ 2004.
   
"Amerikanische Freunde": Die Politik der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik
Taschenbuch, Sammlung Luchterhand
Die Autoren dokumentieren darin u.a. auch am Beispiel von Ansbach, wie Kommunalwahlen beeinflusst, deutsche Parteien instrumentalisiert und Verkehrsprobleme im Sinne der U.S.-Militärs "geregelt" wurden. Sie kommen zu dem Schluss: "Bisher geheimgehaltene Dokumente belegen die Eingriffe in die Politik von Bund, Ländern und Gemeinden." Lesenswert speziell Kapitel 1, das mit "Ansbach Gate" überschrieben ist. Unterzeile: "Kommunalwahl auf amerikanisch."
Jo Angerer, Sabine Lauxen, Erich Schmidt-Eenboom: "Amerikanische Freunde." Die Politik der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik; Luchterhand Literaturverlag, Frankfurt/ Main, Oktober 1990. ISBN: 3-630-61939-8.