REDE Zur Abschlusskundgebung
des Ansbacher Ostermarsches am 22.03.2008
"Wir brauchen eine neue deutsch-amerikanische Freundschaft. Eine Freundschaft auf gleicher Augenhöhe."
von Boris-André Meyer
Sprecher des Ansbacher Friedensbündnisses (AFB) und stellvertretender Vorsitzender der Ansbacher Bürgerinitiative "Etz langt's!"; Mitglied im Verein OFFENE LINKE
 
Liebe Freundinnen und Freunde, meine tapferen Ostermarschierer,
 
nach den heutigen gut fünf Kilometern durch Wind und Kälte stelle ich fest, dass immer, wenn wir unterwegs sind, der Himmel aufbricht.
Wir sind heute gemeinsam gegen die weitere Militarisierung unserer Heimat marschiert, für eine friedliche Zukunft. Die expansiven US-Ausbaupläne sind jedoch kein Ansbach-spezifisches Problem, die Konzentrationsstrategie des US-Militärs betrifft viele Regionen Deutschlands und Europas: Standorte werden geschlossen, die Überbleibenden werden zu Drehscheiben einer Militärmacht ausgebaut, die nicht auf Verteidigung, sondern auf Angriff abzielt.
 
Bald soll Ansbach in einem Atemzug mit Ramstein, Grafenwöhr und Vicenza genannt werden. Seit auf den Tag genau 5 Jahren wird von Ansbacher Boden aus ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg durch die US-Armee durchgeführt. Dieser permanente Bruch unseres Grundgesetzes beschämt uns alle!
Doch damit nicht genug: Die US-Militärstrategen wollen in Osteuropa ein Raketen- und Radarsystem installieren, flankiert von weiteren Militärbasen. Zur Verteidigung, wie sie sagen, nicht nur wir fragen uns, gegen wen?
 
Mich freut es daher ganz besonders, dass heute der Bürgermeister der Stadt Jince in der Tschechischen Republik, Josef Hala, zu uns gekommen ist. In seiner Region sollen US-Radaranlagen gebaut werden, mit unabsehbaren Folgen für die Gesundheit der dort lebenden Menschen. Gegen diese Pläne haben sich 31 der 33 mittelböhmischen Bürgermeister zusammengeschlossen. Sie wollen erreichen, dass die Bevölkerung in einem Referendum über diese Pläne abstimmen kann. 31 von 33 Bürgermeistern!
 
Ich frage mich: Was tun denn die Bürgermeister der Region Ansbach für die vitalen Interessen der Bevölkerung angesichts der unabsehbaren Folgen der US-Ausbaupläne in Katterbach und am Urlas? Wo sind denn heute unsere "Volksvertreter"?
 
Ich konnte Josef Hala bereits im Dezember 2007 im italienischen Vicenza kennen lernen, als er auf der Internationalen Konferenz am Vorabend der Großdemonstration (70.000 Teilnehmer) gegen den Ausbau der dortigen US-Militärbasis sprach. Er äußerte großes Unverständnis über das Verhalten seines Amtskollegen in vicenza. Wie könne dieser denn Ja sagen zu den US-Plänen. Er und seine tschechischen Kollegen würden sich wenigstens wehren. Zum Glück konnten wir Bürgermeister Hala ein Zusammentreffen mit dem Ansbacher Noch-OB Felber ersparen!
 
Wieso wehren sich also die tschechischen Verantwortlichen und nicht unsere? Sind es außerordentlich mutige Menschen oder liegt es in ihrer Geschichte? Schließlich konnten unsere Nachbarn ihre Hauptstadt aus eigener Kraft von den Nazi-Truppen befreien; schließlich kämpften sie 1968 gegen die sowjetische Übermacht für einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz".
Ich glaube, Josef Hala würde dies verneinen. Ich denke, für ihn und seine Amtskollegen ist deren Handeln geprägt von drei Dingen:
  • dem logischen Menschenverstand, der die Konsequenzen der US-Pläne klar sieht
  • der moralischen Verpflichtung gegenüber der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung (75% der Tschechen lehnen eine US-Stationierung ab)
  • der Treue zu seinem Amtseid, Nachteile für seine Stadt abzuwenden
Wo sind nun logischer Menschenverstand, moralische Verpflichtung und Amtstreue der Stadt- und Gemeinderäte? Wieso handeln sie nicht im Interesse der Bevölkerung?
 
Wo sind nun logischer Menschenverstand, moralische Verpflichtung und Amtstreue der Stadt- und Gemeinderäte? Wieso handeln sie nicht im Interesse der Bevölkerung?

Ich komme zu den Fakten in Ansbach:
Die Us-Armee plant den Ausbau ihrer bestehenden Kaserne in Katterbach, dazu soll auf dem Urlas ein umzäuntes Wohnghetto der US-Soldaten auf rund 150 Hektar Naturfläche entstehen.In ihrer Antwort auf die Anfrage der Fraktion DIE LINKE spricht die Bundesregierung von - ich zitiere- "einem Bauprogramm militärischer Baumaßnahmen". OB Felber behauptete hartnäckig das Gegenteil ("zivile Wohnsiedlung") - trotz besseren Wissens- er hat uns belogen. Nicht zuletzt deswegen wurde er abgewählt.

Auf die unwiderbringliche Zerstörung schützenswerter Natur hat der BN mehrfach hingewiesen. Die Hubschrauberzahlen wurden bereits verdoppelt. Über 100 Kampfhubschrauber bevölkern den westmittelfränkischen Luftraum. Viele von ihnen sind momentan nach ausgiebigem Training auf "Menschenjad" im Irak. Dieses Training raubt Tausenden Menschen in der Region den Schlaf und kostet anderswo Tausende Menschenleben.

Die duzenden Außenlandepunkte der US-Helikopter in der Region können zur Gefahr für Leib und Leben werden. Daher versprach Felber, dass die Bevölkerung über die Nutzung solcher Landepunkte informiert wird. Aus der genannten Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass keinerlei Information der Bürgerinnen und Bürger vorgesehen ist - aus Gründen militärischer Geheimhaltung. Eine weitere Lüge des -zum Glück- scheidenden Obs. Zudem belastet ein einziger dieser Hubschrauber in einer einzigen Flugstunde unsere Luft mit soviel Feinstaub wie ein PKW auf 30.000 km. Unsere bisherigen Stadtoberen haben diese eklatante Verminderung der Luft- und Lebensqualität auch noch begrüßt.

Warum?

Aus wirtschaftlichen Gründen, wie Herr Breitschwert und die CSU gebetsmühlenartig wiederholte. Nun gut - dem wirtschaftlichen Vorteil für Herrn Breitschwert durch die US-Präsenz möchte ich nicht bestreiten. Von den US-Ausbauplänen profitieren vielleicht einige wenige - die übergroße Mehrheit der Bevölkerung definitiv nicht!

Im Gegenteil: Die US-Pläne bedeuten wirtschaftliche Nachteile für die Menschen in Ansbach und der Region. Im geplanten Urlas-Ghetto soll es sämtliche Einkaufs- und Freizeiteinrichtungen geben, das bedeutet einen Kaufkraftabfluss für hiesige Geschäfte und Dienstleister. Immobilien verlieren angesichts der zusätzlichen 530 Wohneinheiten auf dem Urlas an Wert die bisherigen Wohnungen der US-Soldaten an der Neukirchner Straße werden für 30.000 € für 95qm modernen Wohnraum verscherbelt. Viele Häuslebauer -gerade in Obereichenbach- wollen bei Realisierung der Ausbaupläne am liebsten wieder wegziehen.

Schlimmer noch: Aus "Sicherheitsgründen" fordert die US-Armee eine Katterbach-Umgehung der B14, einen überdimensionierten Anschlussknoten bei Obereichenbach und eine neue Kasernenzufahrtsstraße bei Neukirchen. Diese Infrastrukturmaßnahmen sollen dem deutschen Steuerzahler aufgebürdet werden; sie allein würden uns alle um über 15 Millionen € belasten. Kosten für Altlastenbeseitigung, Strom-, Wasser und Abwasseranschlüsse sind hier nicht mit eingerechnet.

Aber nochmals: Warum in aller Welt gaukeln uns Felber, Breitschwert und Konsorten diesen Blödsinn vor, um auf Biegen und Brechen dieses monströse Bauprojekt durchzudrücken?

Nun kommen die ganz Schlauen, die sagen, es wäre doch eh schon alles entschieden und man könne ja sowie nichts machen. Entschieden, liebe Freundinnen und Freunde, ist noch gar nichts! Die Stadt hat ihr Benehmen noch nicht geäußert, der Baubeginn wurde jüngst bereits zum dritten Mal verschoben. Dass man rechtlich nichts machen kann mag sein. Sie US-Präsenz unterliegt dem NATO-Truppenstatut, die US-Soldaten zahlen keine Steuern und Versicherungen, sind nicht einmal meldepflichtig.

Diese falsche Weichenstellung, die geplante Abhängigkeit Ansbachs von einer landfremden Militärmacht kann jedoch sehr wohl politisch verhindert werden, wie viele Beispiele anderer Städte zeigen. 4.000 Menschen haben mit ihrer Unterschrift unter den Ansbacher Appell die politischen Verantwortlichen aufgefordert, zu handeln.

Leider ist heute weder die designierte Frau OB da, noch der Stimmenkönig. Frau Seidel behauptete, sie sähe "keinen nennenswerten Widerstand" in der Stadt. Ich halte ihr in ihrer völlig falschen Einschätzung zu Gute, dass sie nicht aus Ansbach kommt. 4000 Unterschriften, langatmiger und vielschichtiger Widerstand in der Bevölkerung. Frau Seidel, Sie sind in der Pflicht! Es geht um eine existenzielle Entscheidung für Ansbachs Zukunft!

Ich komme wieder zurück zu meiner Ausgangsfrage: Wieso handeln die politisch Verantwortlichen nicht im Interesse der Bevölkerung? Die Gründe sind meines Erachtens rückwärtsgewandt. Die Bundesregierung spricht von "historisch gewachsenen Beziehungen", "Bündnisverpflichtungen" und ähnlichem. Die US-Präsenz sei "ein wichtiger Verteidigungsbeitrag". Verteidigung gegen wen?

Der Kern des Problems:
 
Wir brauchen 63 Jahre nach Ende der deutschen Diktatur, 18 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs eine neue deutsch-amerikanische Freundschaft. Eine Freundschaft auf gleicher Augenhöhe.

Und wir brauen ein neues deutsches Selbstverständnis. Ein Selbstverständnis, das den Schutz unseres Grundgesetzes und des Völkerrechts höher einschätzt als blinden Gehorsam vor unseren einstigen "Befreiern". Wir protestieren heute nicht gegen die USA und schon gar nicht gegen den einzelnen US-Soldaten, der töten muss oder getötet wird oder mit irreparablen geistigen und körperlichen Schäden aus dem verbrecherischen Irak-Krieg zurückkommt.

Nein, wir protestieren gegen die Untätigkeit, gegen die mangelnde Verfassungstreue, gegen die Arroganz der deutschen politisch Verantwortlichen, der deutschen Behörden. Sie sind diejenigen, die wir zum Handeln aufrufen. Wir Menschen aus Ansbach und der Region wissen, dass wir nicht allein die deutsche Politik ändern können, und schon gar nicht allein Frieden auf der Welt schaffen können. Aber wir haben es in der Hand, vor unserer Haustüre Veränderungen zu bewirken. Wir haben es in der Hand, eine friedliche und selbstbestimmte Heimat zu schaffen!

Eine europäische Bewegung gegen fremde Militärbasen ist im Entstehen, in Tschechien, Italien, Polen, Deutschland und anderswo. Wir werden weiter voneinander lernen, um vor Ort zu handeln.

Ich habe am Ansbacher Ostermarsch 2007 Felbers Abwahl aufgrund seines Verhaltens zum Urlas-Thema prophezeit. Heute sage ich zum Ansbacher Ostermarsch 2008: Die Expansionspläne des US-Militärs werden nicht realisiert werden! Lasst uns weiter gemeinsam dafür einstehen!