"Counterinsurgency" —
Aufstandsbekämpfung

Die Angst vor einem Kontrollverlust in Folge von Aufständen treiben die USA und die Europäische Union um. Aus historischen Aufständen gegen Besatzungsmächte wollen sie lernen und moderne Konzepte zur Aufstandsbekämpfung für ihre Streitkräfte enwickeln. Die USA haben eine entsprechende militärische Handlungsanleitung (Field manual 3-24), die noch aus dem Jahr 2006 stammte, im Oktober 2013 aktualisiert. Eine Studie des deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit hatte bereits 2011 zu analysieren versucht, welche Konsequenzen die U.S.-Army bei der "Anpassung an die Erfordernisse der Aufstandsbekämpfung und von Stabilisierungsmissionen" voraussichtlich ziehen werden.
Siehe Studie: "Die U.S.-Army im Wandel?"

Da der Jüdische Krieg (66 n. Chr.) mit zu den am besten dokumentierten historischen Ereignissen gehört, steht der Aufstand der Juden im historischen Judäa Pate für höchst aktuelle Planspiele von U.S.- und EU-Militärs. Man will nicht lernen, wie man eine Besatzungsmacht bekämpft (das historische Rom), sondern wie man eine Besatzungsmacht gegen Aufständische effektiv schützen und verteidigen und damit einen Kontrollverlust vermeiden kann. Die Ursachen, die zu Aufständen führen, sind dabei aus militärischer Sicht zumeist sekundär. .

Bezeichnenderweise werden die historischen Aufstände im römischen Besatzungsgebiet als "innerrömische Angelegenheit" interpretiert, weil — auf die Neuzeit übertragen — dann auch das internationale Völkerrecht heute nicht zur Anwendung kommen brauche. Widerstand gegen eine Besatzungsmacht sei daher per se Unruhestiftung. Aufständische sind keine Freiheitskämpfer sondern Unruhestifter, die zur Räson gebracht werden müssten. Als Grund für das Versagen der historischen Besatzungsmacht Rom wird u.a. deren nicht zwingend notwendige Differenzierung zwischen "Feinden" und "Räubern" gesehen. Die bloße Etablierung einer Besatzungsmacht wird so zur Rechtfertigung von Besatzungsmacht: “Insurgency will be a large and growing element of the security challenges faced by the United States in the 21st century.”
(vgl. US GOVERNMENT COIN GUIDE (JANUARY 2009).

Eine Lehre aus dem Kontrollverlust der Römer, sei die Notwendigkeit der sofortigen "Eindämmung" entstehender Konflikte mittels "verhältnismäßiger" Gewalt "einheimischer" Sicherheitkräfte ("Stability Operations"). Dabei seien nicht nur die Eliten besetzter Territorien zur Kollaboration mit der Besazungsmacht zu bewegen ("Strategic Communications"), sondern auch Teile der Bevölkerung. Letztere könne man die perspektivische "Unabhängigkeit" in Aussicht stellen. Die Römer hätten es als Besatzungsmacht dabei versäumt, die mit ihnen kollaborierenden Eliten vor der eigenen Bevölkerung zu schützen. Anzustreben sei daher eine mehr "indirekte Herrschaft" der Besatzungsmacht ("Unconventional Warfare") durch "freiwillige Akzeptanz" ("Magic of Democracy"). Es sei zudem ein weiteres Versäumnis der Römer gewesen, die zu besetzenden Gebiete nicht rechtzeitig kulturell infiltriert ("Psychological Operations") zu haben, wodurch vorherrschende Religionen nicht durch eine Leitkultur der Besatzungsmacht ersetzt werden konnten.

Die europäische Antwort zur Lösung politischer Probleme mit zvilmilitärischen Mitteln heißt INDECT. Das Überwachungsprojekt der Europäischen Union, das sich derzeit in der Erprobungsphase befindet (vermutlich vor allem in osteuropäischen EU-Ländern), setzt dabei auf totale Kontrolle mittels modernen Technik (Infrarotkameras, RFID-Lesegeräte, Drohnen etc.). Aus Bewegungsbildern sollen mittels komplizierter Softwareprogramme "Verhaltensmuster" generiert weden, die Rückschlüsse auf mögliche Handlungsweisen, die eine "Bedrohung" darstellen können, erlauben. Aufstände, so die Hoffnung, könnten dadurch im Keim erstickt werden. Federführend an der Entwicklung von INDECT sollen polnische Universitäten sowie die Bergische Universität Wuppertal und die deutschen Firmen InnoTec DATA und PSI Transcom gewesen sein.

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