GAST-REDE Zur Abschlusskundgebung
des Ansbacher Ostermarsches am 22.03.2008
"Immer mehr Menschen bei uns realisieren, dass wir dabei sind, unsere Souveränität wieder zu verlieren."
von Josef Hala
Bürgermeister von Jince (Tschechische Republik), Sprecher der Bürgermeisterliga gegen den Raketenabwehrschirm
 
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Freunde,
 
erlauben Sie mir, dass ich Sie alle im Namen der Bürgermeister-Liga des "Brdy"-Umlandes begrüße, die gegen die Stationierung eines US-Radars auf unserem Gebiet kämpft, sowie im Namen der Mitbürger unserer Städte und Gemeinden. Ich danke Ihnen für die Einladung zu ihrer Zusammenkunft und dafür, dass ich die Möglichkeit bekomme, Sie über unseren Kampf gegen eine fortschreitende Militarisierung des Gebietes "Brdy" und der Tschechischen Republik zu informieren. Ich freue mich, dass ich wieder von Ihnen, den Freunden aus dem benachbarten Deutschland, eine Reihe von Erfahrungen mitnehmen kann.
 
Vor mehr als einem Jahr ist bei uns eine Rechtsregierung aufgestellt worden. Sie ist nach einem geschmacklosem Gezerre und nur Dank einigen sozialdemokratischen Überläufern entstanden. Ihre Stellung ist sehr schwach und vielleicht deshalb tritt sie sehr aggressiv auf. Davon zeugt auch, dass sie gleich am zweiten Tag nach ihrer Ernennung die Absicht verlautet hat, die Installation einer US-Radar-Station zu ermöglichen. Einer Station mit sehr starker Strahlung und einer Reichweite über 6 tausend Kilometer.

Für unsere Bürger war das eine schockierende Nachricht und das gleich aus mehreren Gründen:
 
Erstens: Praktisch keine der politischen Parteien hat im Rahmen des Wahlkampfes dieses Thema angesprochen und deshalb war es auch kein Gegenstand von Stellungnahmen der politischen Parteien. Auch hat keine Partei von ihren Wählern einen Mandat zur Führung von Verhandlungen über die Radarstationierung in Tschechien erhalten.
 
Zweitens: Mit dem Aufenthalt fremder Truppen auf unserem Staatsgebiet haben wir historische Erfahrungen gemacht. Gerade die Vertreter der Rechten waren die größten Kämpfer für den Abzug der sowjetischen Truppen anfangs der 90-er Jahre mit dem Anspruch, dass auf unserem Staatsgebiet keine fremden Truppen mehr stationiert werden und dass es notwendig ist, alle militärischen Gruppierungen inklusive des Warschauer Paktes und der NATO abzuschaffen. Trotzdem haben sie uns ohne ein Referendum in die Strukturen der NATO hineingezogen und nun bieten sie unser Land der USA für den Aufbau eines Militärstandorts an. Und das trotz des Widerstandes seitens 70% der eigenen Bevölkerung und selbst gegen die Interessen Europas.
 
Drittens: Von Anfang an betrachten wir dieses Vorgehen als einen Schritt zur weiteren Einschränkung unserer Staatssouveränität und zu erneutem Vasallentum an irgendein Land. In diesem Fall an ein Land, das, höflich ausgedrückt, in der Welt keinen guten Ruf genießt. Auch schlechte Erfahrungen mit US-Militärstandorten in Japan, Italien, Schottland und bei Ihnen in Deutschland, sind uns eine Warnung.
 
Ein weiterer Schock für die Bürger unserer Städte und Gemeinden war die Ankündigung der Örtlichkeit für die Militärbasis - dem Truppenübungsplatz "Brdy". Er befin-det sich ca. 50 km von der Hauptstadt Prag und ca. 30 km von der Bezirkshauptstadt Pilsen entfernt. In der Umgebung liegen 2 Kreisstädte und leben Hunderttausende von Einwohnern. Von Beginn an nehmen wir intensiv die Risiken wahr, die diese Entscheidung für die Gesundheit und Sicherheit bringt, und das nicht nur für uns Menschen sondern auch für die einzigartige Fauna und Flora des "Brdy"-Gebietes. Die Radar-Station, die weniger als 100 km von Ihrer Grenze entfernt ist, könnte auch für Ihr Land eine große Gefahr bedeuten. Im Falle eines kriegerischen Konfliktes würde dieses Gebiet das Ziel der ersten Angriffs sein.
 
Wir begannen über die Anlage technische Informationen zu gewinnen, die ganz anders waren als die, die das Außenministerium, die Regierung und das Verteidigungs-ministerium herausgab. Das war ein weiteres Signal für unseren Widerstand, für die Vereinigung unserer Kräfte im Kampf gegen die Regierung.
 
Wir haben von der Regierung in Form von Briefen und durch die Medien wahre In-formationen angefordert über die gesundheitlichen Folgen für unsere Bevölkerung, über die wahren militärischen und politischen Gründe für die Radarstationierung in "Brdy", über ihre Auswirkungen auf internationale Beziehungen, auf die Zusammenarbeit in Europa und die militärische Entwicklung auf der ganzen Welt.

Wir haben eine Reihe von Verhandlungen mit dem Premier, dem Außen- und Verteidigungsminister und dem US-Botschafter geführt. Immerzu verlangten wir Antworten auf unsere Fragen, aber die Antworten waren nicht überzeugend und fielen jedes Mal anders aus. Wir haben die Überzeugung gewonnen, dass unsere Gegenseite viel weniger Informationen über die Anlage besitzt als wir. Wir haben uns an unsere Abge-ordneten und Senatoren gewandt, fanden jedoch - außer bei den Abgeordneten der Kommunistischen Partei und der Sozialdemokraten - kein Gehör. Große Enttäuschung ist die Haltung der an der Regierung beteiligten Partei der Grünen. Ihre Abgeordneten begrüßen, im Gegensatz zur Parteibasis, die Anwesenheit der USA in Tschechien.

Immer mehr Stimmen forderten ein gesamtstaatliches Referendum zu dieser Frage. Nach Meinungsumfragen sprechen sich 85% unserer Bevölkerung für ein Referen-dum und 70% gegen die Stationierung von US-Truppen in Tschechien aus. Die Regierung, das Parlament und die von Rechten dominierte Abgeordnetenkammer haben gemeinsam unsere Forderung nach einem Referendum abgelehnt. Was gäbe es wichtigeres in einem Referendum zu entscheiden, als ob wir in Frieden oder in Angst vor einem Krieg leben wollen?

Deshalb haben wir im Frühling vergangenen Jahres angefangen von der Möglichkeit der lokalen Referenden Gebrauch zu machen und Meinungsumfragen durchzuführen, um der Regierung und der Welt zu zeigen, dass wir hier keine Radarbasis haben wollen. Die Ergebnisse der Referenden waren eindeutig - bis zu 99% der Wähler waren gegen die Installation des Radars in "Brdy".

Auch diese Initiative hat unsere Regierung nicht überzeugt, von den Verhandlungen mit der US-Regierung Abstand zu nehmen. Im Gegenteil, sie verstärkt nun Ihre Be-mühungen, die Bevölkerung von der Unumgänglichkeit der Radaraufstellung bei uns zu überzeugen. Aus dem Staatsetat hat sie 15 Mio. Tschechische Kronen ausgegliedert, um mit dem Geld der Steuerzahler eine Werbekampagne für fragliche Geschäfte der US-Waffenindustrie zu führen.

Das hat uns Bürgermeister aus der Region "Brdy" dazu bewegt, eine freie Vereinigung unter dem Namen "Bürgermeisterliga gegen den Radar" zu gründen, mit dem Ziel den Widerstand zu koordinieren und den Druck auf die Regierung zu verstärken. Zusammen mit der Bewegung "Nein zu Militärbasen", die über 50 Widerstandsorganisationen vereinigt, haben wir eine Reihe von Demonstrationen in der Region Prag und der ganzen Republik durchgeführt. Wir koordinieren unsere Aktivitäten mit ausländischen Institutionen aus ganz Europa. Wir beteiligen uns an Demonstrationen in Polen, wo eine weitere Radarbasis entstehen soll, in Italien, Deutschland, England und anderen Ländern. Über unseren Widerstand informieren wir selbst Senatoren und hohe Staatsvertreter in den USA sowie internationale Friedensorganisationen. Dabei nutzen wir alle Möglichkeiten, die internationale Medien bieten. Wir haben bei uns eine internationale Friedenskonferenz, Meetings, Konzerte, Protestmärsche, Blockaden von Militärgeländen und Unterschriftenaktionen durchgeführt.

Ununterbrochen fordern wir von unserer Regierung bilaterale Verhandlungen mit der US-Regierung zu stoppen und stattdessen über die Angelegenheit im Rahmen der EU, der Nato und mit Russland zu verhandeln. Wir fordern sie auf, der USA keine Hilfe bei der Spaltung Europas und beim Entfachen der nächsten Rüstungsrunde in der Welt zu leisten. Vergeblich. Die Regierung ist nicht einmal bereit über die Verhandlungen mit der USA die eigenen Parlamenstabgeordneten zu informieren.

Immer mehr Menschen bei uns realisieren, dass wir dabei sind, unsere Souveränität wieder zu verlieren. Und so wird der Kampf gegen den Radar auch zum Kampf für Freiheit und Demokratie. Demokratie für die Mehrheit der Menschen in unserem Land und nicht nur für wenige Auserwählte. Unsere Regierung bezahlen wir wirklich gerne selbst. Noch sind wir nicht so schlecht dran, dass sie uns jemand aus der USA bezahlen muss.

Wir hören nicht auf zu kämpfen. Wir sind uns bewusst, dass es nun notwendig ist, unsere Mitbürger zu aktivieren und weitere Protestaktionen vorzubereiten. Im Vorfeld der Kreistags- , Senats und EU-Parlamentswahlen im nächsten Jahr ist es notwendig den Bürgern klar zu machen, wie sich welche Parteien verhalten haben und wofür sie sich einsetzen und das nicht nur im Bezug auf die beabsichtigte Radaraufstellung in "Brdy".

Zum Schluss erlauben Sie mir, Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Kampf für den Frieden, gegen weitere Militärbasen in Ihrem Land, für den Abzug der US-Truppen aus Europa und die Entmilitarisierung der ganzen Welt zu wünschen. Ich glaube, dass eines Ta-ges die Vernunft über die Gewinngier der Waffenkonzerne siegen wird.

Ich wünsche Ihnen auch Frieden in Ihren Familien, angenehme Osterfeiertage und eine feste Gesundheit!