Von deutschem Boden geht wieder Krieg aus:

Afghanistan - The never ending great Game
Was einst als Großes Spiel zwischen Großbritannien und Rußland begann und für Großbritannien im Ersten Anglo-Afghanischen Krieg in einem stalingradähnlichen Fiasko endete, ist heute auch für Deutschland zu einem "Spiel" mit ungewissen Ausgang geworden. Wieder. Denn aus Sicht der Afghanen versucht Deutschland lediglich erneut im Spiel der Supermächte mitzumischen, nachdem im Zeitraum von 1936 (deutsch-afghanisches Militärabkommen) bis Ende der Naziherrschaft der Versuch scheiterte, in Afghanistan deutsche Militärberater und eine deutsche Luftwaffe zu stationieren. Gleichwohl setzt die afghanische Regierung große Hoffnungen in die Professionalität deutscher Soldaten, was deutsche Repräsentanten vor Ort nicht selten in Verlegenheit bringt. Denn die Hoffnung der Regierung Karsai zielt auch, und das ist in Afghanistan kein Geheimnis, auf die militärische Erfahrung der Deutschen aus der Partisanenbekämpfung im Zweiten Weltkrieg.
 
"Übergabe in Verantwortung"
Der von der Bundesregierung mit Kabinettsbeschluss vom 18. November 2009 in den politischen Sprachgebrauch eingeführte Begriff versucht die deutsche Beteiligung am Krieg in Afghanistan zu rechtfertigen und den Krieg zu "afghanisieren", was vor Ort als Weg in den Bürgerkrieg verstanden wird. Doch Afghanistan ist nicht nur ein explosives Experimentierfeld für globale militärische Ziele. Deutschland verteidigt am Hindukusch auch wirtschaftliche Interessen.

Denn nicht nur für die private Sicherheitsindustrie, Mobilfunkunternehmen und Coca Cola sondern u.a. auch für Siemens ist Afghanistan zu einem riesigen Absatzmarkt geworden, wo - wie zu Kolonialzeiten - 100 Prozent der im Land erwirtschafteten Gewinne aus Afghanistan abfließen und reiche Rohstoffvorkommen vermutet werden. So u.a. große Kupfer-Vorkommen in Logar, Kohlevorkommen in Darrahi-Suf, Karkar, Ischpuschta und Herat, Erdöllagerstätten im Norden bei Koh-i-Angot sowie große unterirdische Lagerstätten von Erdgas bei Shibergan. Unter "Übergabe in Verantwortung" wird deshalb im eigentlichen Sinne der Schutz der ausländischer Direktinvestitionen in Afghanistan verstanden (vgl. Argumentation der deutschen Botschaft in Kabul).

Sollte dieses ökonomische Sicherheitskonzept an den afghanischen Interessen scheitern, würden die in Afghanistan unter deutscher Federführung eingeführten "Investitionsgesetze" und "Investitionsschutzgesetze" zwangsläufig als nicht im afghanischen Interesse stehend wieder zurückgenommen. "Wir sind keine Kolonie", sagte selbst einmal Staatschef Hamid Karsai.
   
"Partisanenbekämpfung"
Die Einstufung der Taliban als irreguläre Kämpfer macht die ehemaligen Verbündeten der USA (im Kampf gegen sowjetische Truppen) praktisch vogelfrei. Der geplante Aufbau einer "Counter-Guerilla" durch U.S.-amerikanische "Sondereinsatzkräfte" fordert auch deutsche KSK-Bundeswehrverbände und deutsche Polizisten. U.a. wird erwogen, innerhalb der Bundeswehr armenische Spezialeinheiten aufzustellen, von denen man sich eine "offensivere Verteidigung" aufgrund deren praktischer Kampf- und Kriegserfahrung im Bergkarabach-Konflikt verspricht. Zwischen 2005 und 2009 soll die Bundeswehr auch usbekische Soldaten trainiert und damit gegen ein EU-Embargo verstoßen haben, das den Export von Waffen und jede Anleitung, Beratung und Ausbildung des usbekischen Militärs verbot.

Da für deutsche Soldaten und Polizisten in Afghanistan die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufgehoben ist, bildet auch die Bundeswehr afghanische Polizisten aus. Noch vor dem offiziellen ISAF-Mandat sollen KSK-Einsatzgruppen der Bundeswehr bereits in Afghanistan aktiv geworden sein. Entsprechende Erfolge bei der Bekämpfung von Aufständischen erhofft man sich von afghanischer Seite aus der deutschen Militärgeschichte und -praxis. Was die Geheime Feldpolizei (GFP) ab 1940 im faschistischen NS-Kriegszug an Strategien und Taktiken zur "Partisanenbekämpfung" entwickelt hat, gilt manchen afghanischen Politikern als Empfehlung. Die ehemalige "Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung im Osten", als Heeresdruckschrift am 11. November 1942 (Merkblatt 69/1) erschienen, und der Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht vom 16. Dezember 1942 zur Forcierung des Terrors gegen die Partisanenbewegung enthalten detaillierte GFP-Richtlinien für das "verschärfte" Verhalten gegenüber Partisanen und Zivilisten. Beschrieben sind dort u.a. Maßnahmen, die heute auch bei der Vorbereitung von "Counter-Guerilla"-Einsätzen durchgespielt werden und damals in der genannten Heersdruckschrift exakt definiert wurden: "Schon die Härte der Maßnahmen und die Furcht vor den zu erwartenden Strafen muß die Bevölkerung davon abhalten, die Banden zu unterstützen oder zu begünstigen."


Als der Anti-Terror-Einsatz der Bundeswehr in das fünfte Jahr ging, forderte der Bundestagsabgeordnete Werner Hoyer (FDP) am 8.11.2006 im Bundestag: "Niemals darf die Entscheidung über Militäreinsätze zur Routine werden". Sein Wunsch blieb ein frommer, wie auch die "uneingeschränkte Solidarität" der jetzt schwarz-gelben Bundesregierung gegenüber den Kriegszielen der USA die Souveränität Deutschlands über das Jahr 2010 hinaus weiter einschränken dürfte.