„Ansbacher Appell“ – Gewissen in Aufruhr

 

Das Ansbacher Friedensbündnis (AFB) sieht den bisherigen Konsens deutsch-amerikanischer Politik, wonach von deutschem Boden nie wieder Angriffskriege ausgehen dürfen, gestört und fordert rechtliches Gehör.

 

Es fordert die Abgeordneten des Stadtparlaments von Ansbach auf, mit sofortiger Wirkung kommunalrechtliche Schritte einzuleiten, die eine Anhörung der Stadt Ansbach bei der bayerischen Landesregierung ermöglichen. Unter Hinweis auf das vom Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Willkürverbot gilt es zu prüfen, ob noch schutzwürdige überörtliche Interessen bestehen, die Eingriffe in die Planungshoheit der Stadt Ansbach seitens U.S.-Militärbasen in Westmittelfranken weiterhin rechtfertigen. Das AFB fordert ein kontrollierbares sofortiges Einfrieren aktueller Planungen sowohl auf U.S.-amerikanischer als auch auf deutscher Seite, die den weiteren Ausbau des Militärstandortes Ansbach zum Ziel haben (Planungs-Moratorium).

 

40 km südwestlich von Nürnberg, wo die Regierung von Mittelfranken ihren Sitz im flächenmäßig größten Landkreis Bayerns hat, will die U.S.-Armee ihren Standort Ansbach zur größten Hubschrauberbasis Europas ausbauen. Seit bekannt werden dieser Pläne im August 2006 regt sich darüber Unmut in der Bevölkerung, die sich vor vollendete Tatsachen gestellt sieht und bei einem Teil ihrer gewählten Volksvertreter zunächst auf ohnmächtiges Schweigen traf.

 

Wir, die Initiatoren des „Ansbacher Appells“, sehen in dem geplanten Militärausbau einen Präzedenzfall, der einen zentralen Konsens deutsch-amerikanischer Politik beschädigt. Dieser Konsens hat seinen Ursprung 1945.

 

Als U.S.-Truppen als Teil der alliierten Streitkräfte (USA, England, Frankreich, Sowjetunion) die Grenzen des Deutschen Reiches überschritten, um auch in Westmittelfranken die Nazi-Herrschaft zu beenden, trafen sie u.a. auf eine der größten unterirdischen Munitionsfabriken des III. Reiches. Die Vätergenerationen der heute bei uns stationierten U.S.-Soldaten forderten: Niemals wieder darf von deutschem Boden Krieg ausgehen! Dafür sind wir dem Volk der USA und den alliierten Streitkräften, die bis zum Ende des Kalten Krieges 1990 die demokratische Entwicklung Deutschlands sichern halfen, für immer dankbar.

 

Um so mehr sind wir darüber bestürzt, dass das Bekenntnis von einst in Frage gestellt scheint, da von deutschem Boden wieder Angriffskriege ausgehen, die das deutsche Grundgesetz, die Verfassung Deutschlands, unter Strafe stellt. U.S.-amerikanische Kampfhubschrauber, deren Besatzungen in Ansbach und Illesheim (im Nachbarlandkreis Neustadt/Aisch – Bad Windsheim) ausgebildet wurden und werden, kommen im Irak seit 2003 zum Einsatz! Heute wissen wir auch aus offiziellen amerikanischen Quellen, dass bei diesem Angriffskrieg nachweislich Grenzen überschritten wurden, die besser nicht überschritten worden wären. Sowohl aus völkerrechtlicher als auch aus ethischer Sicht.

 

Rechtsfreie Räume darf es in Deutschland nicht geben! Ob wissentlich oder unwissentlich – Deutschland, und damit auch Ansbach und Illesheim, stehen als Stationierungsorte weltweit agierender U.S.-Kampftruppen mit in der Verantwortung. Auch weil diese Interventionstruppen nicht unter dem Oberbefehl des gemeinsamen Verteidigungsbündnisses NATO, sondern unter der alleinigen Befehlsgewalt des U.S.-Präsidenten stehen. Dies sollte parteiübergreifend vor allem jene Lokalpolitiker in Ansbach und im Landkreis zum Nachdenken anregen, die bei dieser Gewissensfrage (noch) meinen, neutral bleiben zu können.

 

Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen!

 

Folglich stellt sich die Frage: Wie souverän kann Deutschland handeln, wenn es sich an den Konsens, dass niemals mehr von deutschem Boden Krieg ausgehen dürfe, weiter gebunden fühlt? Wie souverän kann Ansbach mit den Ausbauplänen der U.S.-Militärbasis Ansbach umgehen?

 

Das Ansbacher Friedensbündnis ist der Überzeugung, dass die gefühlte Ohnmacht eines Teils des Ansbacher Stadtparlaments nicht zwingend in eine tatsächliche Ohnmacht führen muss, sondern in Verhandlungen mit Entscheidungsträgern der USA – auf welchen politischen Ebenen auch immer – münden kann. Feigheit vor dem Freund ist unangebracht, zumal wir uns sicher sind, in der Frage Krieg oder Frieden auch U.S.-Interessen zu dienen: der Mehrheit des amerikanischen Volkes, die völkerrechtswidrige Angriffskriege ablehnt. Ziel der genannten Verhandlungen ist die Schließung der U.S.-Militärbasen in Westmittelfranken, um die Weichen für eine zivile Zukunft Ansbachs zu stellen. Das dies ein durchaus realistisches Ziel ist, wird durch einen weiteren Ansatz wahrscheinlicher.

 

Für eine europäische Verteidigungspolitik auf dem Boden einer

demokratischen europäischen Verfassung, die das Völkerrecht anerkennt!

 

Mit der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands unter Wahrung der Bündnistreue zu den USA und zur NATO ist eine Rückgabe der vollständigen territorialen Souveränität eine längst überfällige Anerkennung der demokratischen Entwicklung Deutschlands. Dies wäre auch ein praktischer Schritt hin zu einer demokratischen europäischen Verfassung, die den seit 1945 formal ausstehenden Friedensvertrag mit Deutschland verzichtbar macht. U.S.-Militärbasen auf europäischen Territorien sind ein Überbleibsel aus Zeiten des Kalten Krieges. Deutschland ist fester Bestandteil des europäischen Verteidigungsbündnisses und es somit wert, als vollständig souveräner Bündnispartner behandelt zu werden.

 

Die Ansbacher Bürger müssen selbst darüber entscheiden dürfen, ob ihre Steuermittel für den Ausbau von Militärbasen verwendet werden, von denen völkerrechtswidrige Angriffskriege ausgehen, oder für zivile Zwecke Anwendung finden, die auch unseren amerikanischen Freunden zugute kommen, die in Ansbach eine Heimat gefunden haben. Wir treten dafür ein, dass, sollte es zu einer Schließung von U.S.-Militärbasen in Westmittelfranken kommen, dies sowohl für die Familien amerikanischer Militärangehöriger als auch für deutsche Zivilangestellte sozial verträglich erfolgt. Für diesen Zweck sehen wir unsere Steuergelder gut angelegt.

 

Der „Ansbacher Appell“ ist nicht der Endpunkt dieses Umdenkungsprozesses und auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Meinungsbildungsprozess ist in unseren Reihen auch deshalb noch nicht abgeschlossen, weil wir täglich neuen Zuspruch aus allen Bevölkerungsschichten, politischen Parteien und Bewegungen erfahren, was wir in diesem Maße nicht erwartet haben. Diese Meinungsvielfalt wird uns auch davor bewahren, dass das Ansbacher Friedensbündnis – von wem auch immer – instrumentalisiert wird. Jeder, der sich das Recht erwirbt, in unserem Namen zu sprechen, erklärt sich damit einverstanden, eigene parteipolitische Interessen hintenan zu stellen. Über das Festhalten an diesem Grundsatz kann man sich bei unseren Zusammenkünften überzeugen. Sie sind öffentlich. U.S.-amerikanische Militärangehörige, die in Westmittelfranken stationiert und wie wir von den aktuellen militärpolitischen Entwicklungen betroffen sind, sind eingeladen mit uns ins Gespräch zu kommen.

 

Wir empfangen sie als Freunde, auch weil wir von ihnen Antworten über das Kämpfen und Sterben deutscher Soldaten des Kommandos Spezialkräfte des Bundeswehr (KSK) unter U.S.-Oberbefehl erhoffen. Antworten, die deutsche Politiker uns (noch) nicht geben können oder vorenthalten.

 

Ansbach, im März 2007

 

Das Ansbacher Friedensbündnis(AFB) ist ein Zusammenschluss von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und des Landkreises Ansbach sowie von Parteien und Gruppen. Neben parteilosen Einzelpersonen aus allen gesellschaftlichen Bereichen (u.a. auch aus mittelständischen Unternehmen, Kirchen, Schulen/Fachhochschulen, Medien) und Mitgliedern von Parteien (darunter auch CSU) wirken im überparteilichen Ansbacher Friedensbündnis derzeit mit: BAP, Bund Naturschutz (Kreisgruppe Ansbach), Bündnis90/Grüne (Kreisverband Ansbach), DFG/VK, DKP, Offene Linke und SDAJ.

 

V.i.S.d.P.: Pfr. i.R. Hansjörg Meyer, Hauptstr. 14, 91622 Rügland

www.ansbacher-appell.de.vu

Spendenkonto: 283 283; BLZ: 765 500 00